Wieso schreiben Sie eigentlich immer Krimis?

 

 

Bei Lesungen werde ich hin und wieder gefragt, weshalb ich eigentlich immer nur Krimis schreibe. Meist mit dem unausgesprochenen Hintergedanken, ich könnte ja stattdessen auch mal "was Richtiges" machen. Mein erster Impuls ist dann immer, die Gegenfrage zu stellen: »Wieso denn nicht?«

 

Kriminalromane zu schreiben, ist heute nicht mehr ehrenrührig. Früher war es durchaus üblich, dass einem wie z.B. noch Felix Huby oder Jacques Berndorf von seinem Arbeitgeber nahegelegt wurde, doch bitte wenigstens ein Pseudonym zu benutzen, wenn man es sich schon nicht verkneifen kann, solche Trivialgeschichten zu schreiben. Diese Zeiten sind zum Glück vorbeiDeutschsprachige Kriminalliteratur hat sich über viele Jahre schwer getan, gegen die ausländische Konkurrenz aus den USA, England, Skandinavien oder Italien anzustinken. Vor den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es im Grunde kaum etwas Kriminelles aus deutscher Feder, wenn man von Friedrich Glauser einmal absieht, der Schweizer war. Mit dem Beginn der Tatort-Reihe der ARD hat sich das geändert. Plötzlich stellte das Publikum fest, dass Krimis nicht nur im Londoner Nebel oder im Regen San Franziscos spielen können, sondern eben auch in Duisburg, Berlin oder Ludwighafen. Damit wurden – kräftig unterstützt übrigens vom Syndikat, der Vereinigung deutschsprachiger Krimiautorinnen und Autoren - zunehmend auch die Werke aus heimischer Produktion salonfähig. Mehr und mehr entdeckte das Publikum den angenehmen Grusel des Mords um die Ecke.

 

Über die Jahrzehnte wurden die Romane dann nicht nur dicker, sondern auch komplexer und anspruchsvoller. Bald ging es nicht mehr um die Frage, welcher Gärtner diesmal die Prinzessin aus Habgier oder verschmähter Liebe gemeuchelt hat, sondern die Geschichten drehten sich mehr und mehr um die gesellschaftlichen und psychologischen Hintergründe eines Verbrechens. Der Leser litt nicht mehr nur mit den Opfern und fieberte dem mehr oder weniger schwer gebeutelten Detektiv oder Kommissar, sondern auch mit dem Täter.

 

Heute braucht sich die deutschsprachige Kriminalliteratur nicht mehr vor der Konkurrenz aus dem Ausland zu verstecken. Die Zeiten sind vorbei, als man man auf Partys vornehm verschwieg, dass man zuhause in schwachen Momenten Krimis verschlang, die oft leider allzu oft wirklich nur als Trivialliteratur bezeichnet werden konnten. Heute werden auf Partys im Gegenteil Tipps ausgetauscht: Kennst du den? Hast du schon den Neuen von jenem schon gelesen? Der Boom der deutschen Krimis und Krimi-Verlage ist ungebrochen, obwohl er seit Jahrzehnten mit schöner Regelmäßigkeit für beendet erklärt wird.

 

Wenn ich einmal für einen kurzen Moment meine mir anerzogene Bescheidenheit vergesse, dann wage ich sogar die Frage zu stellen, ob der Kriminalroman nicht vielleicht der Gesellschaftsroman unserer Zeit ist. Kein Genre reagiert schneller und sensibler auf Veränderungen des gesellschaftlichen Kontextes, der technischen (Kommunikations-) Möglichkeiten, des Zeitgeists. Und deshalb beantworte ich die Frage, weshalb ich Krimis schreibe immer so: Es macht mir Spaß sie zu schreiben, es macht meinen Lesern Spaß, sie zu lesen, und ich kann alles hineinpacken, wonach mir gerade der Sinn steht: Liebesgeschichten (sind fast obligatorisch), Familiengeschichten (dito), alle möglichen und unmöglichen Schweinereien aus dem Wirtschaftsleben oder der Finanzbranche, darüber hinaus politische Themen, Terrorismus, Korruption, und natürlich die uralten Themen Betrug, Eitelkeit, Eifersucht und Raffgier. Kurz, alles, was unser heutiges Leben eben so ausmacht. Und das wirklich Tolle dabei ist: Es wird dennoch nicht nur eifrig gekauft, sondern sogar gelesen.